Am Beruf vorbei gelernt?

Müssen Sie die Fläche eines Rhomboids ausrechnen? Oder wissen Sie nicht mehr ob man «im Allgemeinen» oder «im allgemeinen» schreibt? So fragen Sie doch am besten den Experten in Ihrem Betrieb, den Lehrling. Der hat das in der Schule gelernt. Oder gehören Sie zur Mehrheit, denen diese Probleme in ihrem ganzen Berufsleben noch nie begegnet sind? Dann ärgern Sie sich vielleicht, dass die Lehrlinge mit solchen Dingen Zeit vergeuden müssen, anstatt Wesentliches zu lernen. Die Versuchung ist gross, nun über die weltfremden Lehrer zu schimpfen. Das tut vielleicht im Augenblick gut, ändert aber nichts an der Sache. Verantwortlich für den Lehrplan der Berufskunde sind nämlich weder die Lehrer noch die Politiker, wie Niklaus Gruntz, Leiter des Baselländer Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung, erklärt. Nein, den Lehrplan für die Berufskunde legt jeder einzelne Berufsverband selber fest! Es lohnt sich also für jeden Lehrmeister, sich die Schulbücher der Lehrlinge anzuschauen und mit seinem Berufsverband Kontakt aufzunehmen. Die Fächer der Allgemeinbildung hingegen sind gesamtschweizerisch festgelegt. Massgebend an der Auswahl der Themen sind dabei Lehrer der Sekundarschulen.

Lernen zu lernen
Gruntz macht dabei auch auf grundsätzliche Probleme aufmerksam: «Ein Koch in einem Edelrestaurant muss auch ganz andere Sachen können als einer in einem Schnellimbiss.» Die Breite der schweizerischen Ausbildung sei ganz klar ihre Stärke. Aber ob wirklich beispielsweise Französisch für so viele Berufsrichtungen unabdingbar sei, sei strittig. Schlussendlich könne man sich diese Frage aber bei vielen Lerninhalten stellen: «Ganz provokativ gesagt brauche ich nichts mehr von alle dem, was ich im Studium einst gelernt habe», sagt Gruntz und macht damit deutlich, dass es in der Ausbildung vor allem darauf ankommt, lernen zu lernen und zu denken.

Verbesserungen nötig
Dass ein hohes Verbesserungspotential vorliegt, zeigt eine Studie des Forschungsinstitutes für Empirische Ökonomie und Wirtschaftspolitik (KMU-Landschaft im Wandel 2008). Bei einer Umfrage gaben lediglich 52% der befragten Gewerbler an, dass die Berufsausbildung der Facharbeiter gut sei. 45% stuften sie als genügend ein und 3% als ungenügend. Ebenso schätzten lediglich 55% der Befragten die Praxisrelevanz der Ausbildung als gut ein. 39% gaben an, sie sei ausreichend und 6%, sie sei ungenügend.

Lehrer und Wirtschaft
«Die Lehrer sind durchaus daran interessiert, die Bedürfnisse der Wirtschaft kennen zu lernen», weiss Franz Saladin, Vorstandsmitglied der Promotion Laufental. Auf Wunsch der Lehrerschaft hat der Verein Promotion Laufental zusammen mit der Handelskammer beider Basel einen Kurs zum Thema «Lehrkräfte und Wirtschaft im Dialog» auf die Beine gestellt. Dabei hat Saladin keine Lehrpläne gewälzt, sondern es geht ihm darum, dass die Lehrer ein grundsätzliches Verständnis für die Wirtschaft entwickeln. Der Kurs ist deshalb auch breit angelegt. Die Lehrer können bei der Roche ganz konkret die Anforderungen für eine Lehre in der Firma kennenlernen. Sie können aber auch bei der Ronda AG an einem anderen Themennachmittag Einblick in die Komplexität von unternehmerischen Entscheiden erhalten. «Die Themenreihe fängt Ende Oktober an», sagt Saladin. Bisher haben sich für jedes Thema rund zehn Leute angemeldet.

Die Studie finden Sie hier
Anmeldung für den Kurs

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert